Stellungnahme der aktiven Gruppen der Fürther Szene zu den Vorfällen am 02.10.2011

 

Im Vorfeld der Partie Karlsruher SC – SpVgg Fürth riefen wir zu einer gemeinsamen Zugfahrt nach Karlsruhe auf, um so möglichst vielen jungen Menschen eine Mitfahrt zu ermöglichen.

Nach einer vollkommen ereignislosen – von drei rauchenden Personen im Zug abgesehen – Hinfahrt kam die etwa 200 Menschen große Personengruppe am Karlsruher Hauptbahnhof an, um dort, wie bereits auf der Hinfahrt verkündet, am Südausgang in Shuttle-Busse geleitet zu werden. Schon vor den Bussen fiel auf, dass sich an jeder Eingangstür mindestens ein/e Polizist/in positioniert hatte. Nachdem knapp 10 Personen mitsamt der Fahnen im ersten Bus saßen, fingen die darin befindlichen Polizisten bereits an, diese anzugehen und dazu bewegen, sich im Bus zu verteilen. Nachdem dieser Anweisung wegen der Sicherung des Materials nicht sofort Folge geleistet wurde, gab es erste Schubsereien seitens der Polizei, was natürlich die Personen vor den Bussen erzürnte. Mittlerweile hatte niemand mehr die Möglichkeit, die Busse zu betreten und so war der erste Bus mit ca. 30 Menschen ausgelastet, während über 150 weiterhin vor dem Bahnhof standen. Zu dieser Zeit stand nur ein weiterer Shuttle-Bus bereit.

Auf Nachfrage des Fankoordinators der SpVgg, Nicolas Heckel, erklärte die Polizei, dass die Busse nur von so vielen Menschen betreten werden dürften wie dieser ausgewiesene Sitzplätze hätte, da sonst von unserer Seite aus „die Scheiben zerschlagen“ würden. So mussten wir, trotz mehrerer Aufforderung uns wieder aus den Bussen zu lassen, machtlos zu sehen, wie wir mit einer derart kleinen Personengruppe quasi im Bus „gefangen“ waren. Währenddessen schaukelte sich die Situation vor den Bussen weiter hoch, da alle aufgrund der fortgeschrittenen Zeit noch pünktlich ins Stadion kommen wollten. Nach einer angeblichen Beleidigung einer Beamtin schlug die anwesende Polizei dann plötzlich eine Schneise mitten in die Menge, um den vermeintlichen Übeltäter zu überwältigen und festzunehmen. Im weiteren Verlauf setzte die Polizei Pfefferspray und Schlagstöcke vollkommen unverhältnismäßig ein, was mehrere Verletzte zur Folge hatte. Unter anderem konnte eine Person ihre Augen längere Zeit nicht mehr öffnen und musste sich das komplette Spiel über zur Behandlung in ein Krankenhaus begeben.

Nachdem gegen 13:15 dann alle Busse am Stadion ankamen fiel darüber hinaus auf, dass die Polizei jeden Bus systematisch abfilmte und nach Personen suchte. So wurden zwei weitere Personen, die angeblich bei den Vorfällen am Bahnhof Straftaten begangen haben sollen ebenfalls festgenommen. Darüber hinaus agierte die anwesende Polizei vollkommen willkürlich und zog mehrere Personen aus der Masse für Personenkontrollen heraus. Den Höhepunkt stellte hierbei ein minderjähriger Jugendlicher dar, den die Beamten mehrere Minuten wegen Rauchens festhielten und sogar die Eltern informieren wollten, die ihn abzuholen hätten.

Kurz darauf besprachen wir die Vorfälle und das weitere Vorgehen. Insgesamt konnten acht Personen aus unserer Gruppe und dem Umfeld das Spiel nicht verfolgen. Angesichts der Geschocktheit über die Vorfälle entschieden wir uns, das Spiel schweigend und sitzend zu verfolgen. Wir möchten dabei betonen, das dies KEINEN Boykott im eigentlichen Sinne darstellte. Den anwesenden Personen war schlicht und ergreifend nicht mehr danach zu Mute, fröhlich im Stadion zu singen. Zudem waren wir dadurch der Polizei nicht mehr ohne vorhandene Öffentlichkeit ausgeliefert.

Nachdem wir den Gästeblock betraten und uns hinsetzten, ließen es sich einige Personen, vornehmlich solche, welche man bei den restlichen 16 Auswärtsfahrten nicht zu Gesicht bekommt, nicht nehmen, „Steht auf wenn ihr Fürther seid“ anzustimmen. Hier fiel auf, dass viele Mitreisende uns als Stimmungsdienstleister ansehen, welche jede Woche 90 Minuten für gute Atmosphäre sorgen, sonst aber keinerlei Ansprüche stellen sollen. Diese Rolle weisen wir strengstens von uns. Wir sind kritische und mündige Bürger in einem Staat, der die Würde des Menschen an oberste Stelle seines Grundgesetzes stellt, aber dennoch jede Woche Menschen dieser beraubt und sie psychisch und physisch fertig macht. An zweiter Stelle sind wir erst Fußballfans und als solche in unserer Einstellung vermeintlich „radikaler“ als viele andere, aber nichts und niemand wird uns vorschreiben können, was wir im Stadion zu tun haben. Wenn uns aufgrund eingesperrter Freunde und einer nicht unerheblichen Anzahl an Personen im Krankenhaus nicht danach ist im Stadion für unseren Verein zu singen, dann ist das auch zu akzeptieren.
Die Vorfälle in Karlsruhe erinnern, wenn auch in einem qualitativ und quantitativ geringerem Ausmaß an die Geschehnisse um das Pokalspiel in München im Februar 2010. Sie zeigen auf, dass nicht nur das Bundesland Bayern eine fragwürdige Linie bei Polizeieinsätzen vorgibt.

Am Ende möchten wir noch klarstellen, dass es mit den Beamten einer „Mobilen Kontroll- und Überwachungseinheit“ der Bundespolizei keinerlei Probleme bei der Hin- und Rückfahrt gab und diese selbst das unverhältnismäßige und brutale Handeln der baden-württembergischen Landespolizei verurteilten. Auch von Seiten der Fanbetreuung beider Vereine, sowie der FKB (Zivilbeamte der Bundespolizei) wurde uns zugesichert, dass von unserer Seite kein grobes Fehlverhalten zu sehen war und somit der Polizeieinsatz aufs Schärfste zu kritisieren ist. Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dafür kämpfen, dass dieser Einsatz lückenlos aufgeklärt wird, auch wenn dieses Vorhaben u.a. wegen einer fehlenden Kennzeichnung der Beamten vollkommen utopisch erscheint.

Horidos 1000, Stradevia 907 und Sportfreunde Ronhof e.V. im Oktober 2011